100 Jahre Teufelstisch Erstersteigung
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Titelbild: Der Teufelstisch auf dem Kletterführer von 1975
100 Jahre Teufelstisch Erstersteigung
Genau 100 Jahre ist es her, dass am 26.08.1923 dem “Kaltenbacher” Teufelstisch bei Hinterweidenthal das erste mal ein paar Kletterer “auf’s Dach” gestiegen sind. Die Gebrüder Matheis waren damals an der “Speerspitze” der Erschliessung des Pfälzer Felsenlandes für den Klettersport und haben einige, noch heute fordernde Wege hinterlassen. Eine (unvollständige) Liste ihrere Erstbegehungen findet sich weiter unten.
Heute - Die Jubiläumsbegehung
Anlässlich des runden Jubiläums haben wir uns an diesem Samstag recht spontan aufgemacht, um den Teufelstisch über den “Weg der Erstersteiger” (III+ Schulterstand, VI+ frei) zu besteigen. Die Wettervorhersage versprach an sich nichts Gutes, aber der Samstag bleibt dann doch trocken und so steht einem Versuch nichts im Weg. Mit dabei sind unser Festwart Kai, Wolfi, ehemaliges Vorstandsmitglied und langjähriger Kletterpartner, sowie Uwe und Stefanie aus Sachsen, die zufällig auf Durchreise in der Pfalz und sofort mit Begeisterung dabei sind.
Für mich war der Teufelstisch, zu Beginn meiner “Kletterkarriere” - jetzt auch schon über 30 Jahre her - einer der ersten “bedeutenden” Gipfel, der mir in der Pfalz gelang. Neben dem “Weg der Erstersteiger” war es damals das “Teufelsdach”, das mir noch lange in Erinnerung blieb, war es doch eine der ersten “echten” Dachklettereien, die ich damals “Rotpunkt” klettern konnte.
Vom “Weg der Erstersteiger” weiss ich eigentlich nur noch, dass es eine harte Einzelstelle an der Dachkante zu meistern gibt, bevor einfachere Kletterei zum Gipfel führt, die aber keine weitere Sicherungsmöglichkeit bietet. Ein wenig mulmig ist mir schon, aber an sich stimmt die Kletterform, auch dank moderner Trainingsmöglichkeit und Ausrüstung, wie es sie 1923 natürlich noch nicht gab.
Zur Einstimmung lesen wir noch den Bericht über die Erstersteigung (siehe unten, auch in der Tourendatenbank verfügbar), bevor es an’s Werk geht. Statt unterstützt durch einen Schulterstand, soll die Kletterei natürlich “frei” erfolgen, d.h. ohne Belastung der Sicherung und auch ohne den menschlichen Steigbaum unterhalb des Daches. Na dann mal los, mir klingen die Sätze aus dem Bericht von Otto Matheis (vollständig im Anhang) in den Ohren, während ich ihren Bericht Schritt um Schritt, Zug um Zug umsetze.
“… Wir gelangen leicht auf ein ziemlich geräumiges Band unterhalb des weit auslandenden Überhanges der Nordseite. Mein Bruder treibt einen Ringhaken in den Boden dieses Bandes ein. …”
Der Ring befindet sich heute nicht mehr auf dem Boden des Bandes, sondern direkt im Dach und sichert so einen möglichen Sturz besser ab. Alsdann, schauen wir uns das mal genauer an… .
“ In halbaufgebogener Stellung taste ich die erreichbare Zone nach einem zuverlässigen Griff ab. Das währt zwei Minuten. Ich finde nichts Passendes. Alles ist zu ungenügend, um das auszuführende Wagestück behelfen zu können.”
“Ich ziehe mich wieder auf das Band zurück…”
“Mühevoll bringe ich jetzt einen Sicherungshaken draussen am Überhang an”
Statt eines Schlaghakens, wie damals, verwende ich heute natürlich eine mobile Sicherung, in Form eines Klemmgerätes (sog. “Friend”), was schneller geht und den Fels schont. Noch einmal zurück auf´s Band, verschnaufen. Die zusätzliche Sicherung gibt das nötige Vertrauen für den Weiterweg, nicht nachdenken, machen, ist doch “nur” ein Sechser… .
“Mit diesem einzigen sicheren Halt schiebe ich mich dann entschlossen hinaus und an der Stirne selbst hoch.”
“Dabei finde ich einige gangbare Greifgelegenheiten.”
…sind die Füße erstmal oberhalb der Dachkante, entspannt sich die Situation etwas. Oben ist man dann allerdings noch nicht. Ohne Unterstützung geklettert ist die Einzelstelle heute mit VI+ bewertet, man sollte dann aber schon etwas “über den Dingen” stehen. Mir persönlich kam der Einzelzug diesmal etwas schwerer vor, allerdings waren die Griffe, durch den Regen in der Nacht davor, auch nicht ganz trocken und der Boulder ist auch ziemlich Grössen- und Gelenkigkeits-abhängig. Es hilft, wenn man “neben dem Ohr” antreten kann… .
“Vorsichtig winde ich mich einige Dezimeter höher und greife zum Gipfel. Wieder finde ich keinen Griff, aber ich scharre eine dünne, zähe Wurzel aus dem Humus frei. Eine Belastungsprobe zeigt dass sie hält. Zwei Sekunden später bin ich oben.”
Statt der Wurzel, die es heute nicht mehr gibt, hilft ein geschlagener Griff, der schon vor 100 Jahren vorhanden war, auch wenn die Matheis’ ihn damals erst im Nachhinein gefunden hatten. Ich war froh, dass er da war, auch wenn ich ihn vor dem Verwenden ebenfalls noch etwas frei kratzen musste. Ohne diesen wäre der Ausstieg noch ungleich spannender, auch so muss der Schwerpunkt erst hochbalanciert werden, bis man dann den Gipfel erreicht.
“Zuletzt sichere ich Wilhelm nach, der sich zum Überhang aufhangelt und dann die Stirne desselben normal überklettert. Es ist geschafft.”
Alle Nachsteiger erreichen mit mehr oder weniger Mühe nach kurzer Zeit den Gipfel, Szenenapplaus gab es keinen, auch wenn zahlreiche Wanderer/Ausflügler die Aktion interessiert beobachten. Heutzutage ist der Teufelstisch, als weithin sichtbares Wahrzeichen, ein beliebtes Ausflugsziel und an schönen Wochenenden ist man hier selten allein.
Wir überlegen noch den Hut rumgehen zu lassen, geniessen aber dann doch lieber die Aussicht und freuen uns an der gelungenen Besteigung.
Der Eintrag im Gipfelbuch ist schnell gemacht und nach einer kurzen Gipfelrast seilen wir über die Westseite ab.
Wo wir schon mal da sind, bekommt natürlich auch das Teufelsdach (VII-) eine Begehung, zur Freude und zum Staunen der Zuschauer:innen. Da ich die Tour erst vor zwei Jahren wieder einmal geklettert hatte, läuft das deutlich “fluffiger”, als der Normalweg. Ich steige nicht mehr auf´s Plateau aus und hänge stattdessen ein Toprope ein.
100 Jahre Teufelstisch machen schon ein wenig nachdenklich, wir kommen ein wenig ins Grübeln. Uwe hat tatsächlich bereits 50 Jahre Klettererfahrung, “halber Weg” zu den Gebrüdern Matheis, sozusagen. Er und Stefanie haben im Übrigen bereits alle Gipfel im Elbsandstein “gesammelt”, eine Leistung, die sich vor der der Brüder Matheis kaum verstecken braucht, wie ich meine. Bei mir liegt der erste Vorstieg jetzt auch schon mehr als 30 Jahre zurück, auch schon ein Drittel jener hundert Jahre.
Auch heute sind die Zeiten wieder unsicher, auch wenn wir weit von den Verhältnissen in den “goldenen” 20er Jahren des letzten Jahrhunderts entfernt zu sein scheinen. Der verlorene 1. Weltkrieg , zusammen mit der Weltwirtschaftskrise hat die politischen Verhältnisse damals kräftig durcheinander gewirbelt. Massenarbeitslosigkeit, Armut und Unsicherheit verhalfen damals dem Faschismus zum Aufstieg und der Weg zum 2. Weltkrieg war nicht mehr weit.
Hoffen wir alle, dass die 20er Jahre des 21. Jahrhunderts bald wieder ruhiger verlaufen und wir uns weiter um die schönste Nebensache der Welt, das Klettern in Freier Natur, kümmern können.
Wir als PK fühlen uns dieser Jahrhundert-alten Tradition im Pfälzer Sandstein verpflichtet und werden uns weiter um dessen Erhaltung kümmern, damit auch den Generationen nach uns dieses einmalige Naturerlebnis möglich ist.
Euch weiter eine gute Zeit und noch viel Vergnügen bei der Lektüre des Berichts von Otto Matheis.
der Präsident
…und einst - Bericht über die Erstersteigung
August 1923.
Mitten im passiven Widerstand und in den Millionen der Inflation. Ich komme mit einem Fahrrad, einem etwas veralteten, aber zuverlässigen Vorkriegsmodell, von Ludwigshafen und strebe in flottem Tempo der Reichenbach, einem Gasthaus bei Dahn, zu. Zwischen Darstein und Vorderweidenthal ist es ganz windstill. Eine milde Abendsonne verklärt das schöne, einsame Land. Wohlig summen die Speichen um die sorglich geölten Lager und unter dem Druck der gutgespannten Bereifung spritzen kleine Steine links und rechts zur Seite. Eine gesunde, kraftspendende Fröhlichkeit lässt den Körper in das Fahrrad hineinschmiegen, mit Wohlbehagen treten die Fusspitzen die Pedale immer schneller durch. Das Durchjagen feiner, ungefährlicher Kurvenzüge wird zum aesthetischen Genuss. Ich kenne solche sieghafte Stimmung recht gut. Meistens geht sie gutgeplanten Unternehmungen voraus. Und die Unternehmung des morgigen Sonntags gilt: der „ersten Erkletterung“ des Teufelstisches bei Kaltenbach.
Mit meinem Bruder Wilhelm habe ich schon vor Wochen diesen Fels auf einen Erkletterungsmöglichkeit hin untersucht. Mit der Überzeugung eines Erfolges haben wir Weg und Besteigungsplan festgelegt. Von den Eylöchelfelsen bei Busenberg fällt die Strasse ab bis ins Lautertal und das Rad läuft von selbst bis vor die Türe der Reichenbach. Wilhelm trifft gegen 9 Uhr abends, ebenfalls per Rad, von Rodalben kommend, auf der Reichenbach ein. Ausser uns sind noch zwei bekannte Gäste zugegen, und wir sitzen nun, wie schon so oft, gemütlich mit der Familie des Wirtes am runden Tisch beisammen. Die Gläser sind gefüllt mit einem vorzüglichen 21er Keschdebuscher. Gemeinsam werden alte, einfache Lieder gesungen. Man erlebt Freude, Entspannung und Frieden. Dabei wird es Mitternacht.
Am nächsten Morgen rennen wir hinüber zur Wieslauter, tollen im Wasser herum und rasen durch die Wiesen wie junge Pferde. Nach dem Frühstück besteigen wir unsere Räder und nehmen Richtung gegen Hinterweidenthal.
Der Teufelstisch ist, wie schon aus dem Namen hervorgeht, ein tischartiges Felsgebilde, ungefähr 12 m hoch, dessen geologische Komponenten wohl den mittleren Buntsandstein-Schichten zuzurechnen sind. Der tragende Felsschaft ist ein Steilverwurf einer weicheren Schicht, während die horizontale Platte einer viel härteren Schicht angehört.
Die Felsarbeit hat begonnen. Wir gelangen leicht auf ein ziemlich geräumiges Band unterhalb des weit ausladenden Überhanges der Nordseite. Mein Bruder treibt einen Ringhaken in den Boden dieses Bandes ein. Ein Stück Seil wird durch den Ring gezogen und verknotet. Wilhelm bindet sich so daran an, dass er sich weit in die Luft hinauslegen kann. Bald schlüpfe ich über seine Brust und sein Gesicht, mich dabei vorsichtig in die Rückenlage drehend, gegen die kurze aber schwierige Stirne des Überhanges. In halbaufgebogener Stellung taste ich die erreichbare Zone nach einem zuverlässigen Griff ab. Das währt zwei Minuten. Ich finde nichts Passendes. Alles ist zu ungenügend, um das auszuführende Wagestück behelfen zu können. Ich ziehe mich wieder auf das Band zurück, Wilhelm kommt aus der anstrengenden Hilfsstellung heraus und wir verschnaufen.
Zehn Minuten später sind wir wieder in der vorherigen Kampfstellung. Mühevoll bringe ich jetzt einen Sicherungshaken draussen am Überhang an. Mit diesem einzigen sicheren Halt schiebe ich mich dann entschlossen hinaus und an der Stirne selbst hoch. Dabei finde ich einige gangbare Greifgelegenheiten. Vorsichtig winde ich mich einige Dezimeter höher und greife zum Gipfel. Wieder finde ich keinen Griff, aber ich scharre eine dünne, zähe Wurzel aus dem Humus frei. Eine Belastungsprobe zeigt dass sie hält. Zwei Sekunden später bin ich oben. Ein froher Zuruf nach unten, dann dauert es nicht lange und unsere Rucksäcke schweben zum Gipfel herauf. Zuletzt sichere ich Wilhelm nach, der sich zum Überhang aufhangelt und dann die Stirne desselben normal überklettert.
Es ist geschafft. Neugierig sehen wir uns um. Der Gipfel macht einen sehr ursprünglichen Eindruck: tiefe, schüttere Moosalgen, Steinblöcke von grauen Flechten überwuchert, Vogelfedern und bleiche Vogelgerippe. Im Geäst der knorrigen Gipfelkiefer findet sich allerdings eine morsche Wurfleine, an deren Ende eine eigrosse, eiserne Wurfkugel befestigt ist. Zeugnis eines misslungenen Überwurfversuches. Auch entdecken wir, zu unserer grössten Überraschung, am Gipfelrand, hart an der von mir ausgebuddelten Wurzel, einen geschlagenen Griff, den Sand, Moos und Nadeln verdeckt hatten. Die Erklärung des Griffes ist einfach. Er wurde zweifellos von Leuten angebracht, die mittels Seilüberwurfs zum Gipfel gekommen waren und bei dieser Gelegenheit recht bequem die „Erkletterung“ vorbereiten wollten. Schweinbar wurde diese Unternehmung am schweren Überhang abgeschlagen.
Im kleinen Gipfelbuch steht nun der von uns unterzeichnete Vermerk: Erste Erkletterung am 26. August 1923. Eine Stunde noch liegen wir im Gipfelmoos, erzählen und schauen nach Behagen. Mit dem Abseilen über die weit überhängende Südstirne ist unsere Unternehmung erfolgreich beendet. Einer der meistbekannten Felsen des Pfälzer Felsenlandes ist von nun an auch klettersportlich erschlossen.
Otto Matheis, geschrieben am 19.2.1935"
Touren der Gebrüder Matheis
Neben dem Teufelstisch haben die Gebrüder Matheis in den 1920ern zahlreiche weitere, lohnende Ziele erschlossen, die auch heute noch einiges Fordern. Adelsnadel-Normalweg und Bockverschneidung gehören mindestens zur Klettersportlichen Allgemeinbildung in der Pfalz. Die meisten der Touren haben nur wenige Zwischenhaken, lassen sich mit modernen Mitteln aber gut bis hervorragend absichern (siehe auch die E-Bewertung oder die Kommentare in der Touren-DB).
Fels | Tour Name | technisch | frei | E | Haken | nHaken | Tag-Monat | Jahr |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Luger Friedrich | V: Normalweg | IV | 2 | 22.5. | 1924 | |||
Ruschelnadel | Normalweg | IV- | 2 | 2 | 12.5. | 1923 | ||
Ruschelturm | Normalweg | III | 1 | 6.5. | 1923 | |||
Ruschelturm | Nordwestwand | IV | 1 | 6.5. | 1923 | |||
Bärenbrunner Nadel | Westwand | V+ | 1 | 9.7. | 1922 | |||
Sternfelsen | Kleine Südwand | V+ | 2 | 1.5. | 1922 | |||
Hochstein | Nordriss | VI | 2 | 1.5. | 1921 | |||
Taub | V: Alte Nordwand | V | 1 | 1 | 12.3. | 1922 | ||
Falk | V: Rundquergang | V | 1 | 2 | 12.3. | 1921 | ||
Schillerfelsen | Normalweg | IV | 1 | 18.6. | 1922 | |||
Schillerfelsen | Talwand | III+, A0 | 5+ | 1 | 1 | 18.6. | 1922 | |
Bockturm | Westwandweg | V, A0 | 6 | 1 | 2 | 1 | 12.8. | 1923 |
Bockturm | Bockverschneidung | VI- | 1 | 14.8. | 1923 | |||
Hirtsfels | V: Direkter Ausstieg | VI- | 2 | 13.8. | 1922 | |||
Ludwigshafener Turm | Normalweg | VI- | 3 | 1 | 10.4. | 1921 | ||
Stuhl | Ostwand | VI- | 2 | 1.4. | 1921 | |||
Bruchweiler Geierstein | Reichenbacher Weg | III | 1 | 27.8. | 1922 | |||
Adelsnadel | Normalweg | V+, A0 | VI- | 1 | 3 | 8.5. | 1921 | |
Ottoturm | Überfall vom Kanapee | III | 2 | 22.5. | 1921 | |||
Eppenbrunner-Altschlossfelsen / Wilhelm-Turm | E-Normalweg | IV, A0 | VI | 3 | 1 | 9.5. | 1923 | |
Eppenbrunner-Altschlossfelsen / Wilhelm-Turm | W-Normalweg | IV, A0 | VI | 3 | 1 | 9.5. | 1923 | |
Eppenbrunner-Altschlossfelsen / Ottoturm | Normalweg | IV+ & Sst. | VII- | 1 | 9.5. | 1923 | ||
Eppenbrunner-Altschlossfelsen / Jeanturm | Normalweg | II | 1 | 16.6. | 1923 | |||
Kaltenbacher Teufelstisch | Weg der Erstbesteiger | III+ & Sst. | mind. VI+ | 1 | 1 | 26.8. | 1923 |
(Quelle: Felswart, TourenDB)